Gelegentlich haben wir in unserem Blog Arbeiten an Instrumenten kommentiert, die ein Stück weit aus der Reparaturroutine herausragen.
Diesmal ist es ein
Instrument aus der Werkstatt von H. Hauser I; ein „Münchner Modell“,
datiert 1929, mit Schraubhals und Steckerlsteg, Mensur 640 mm.
Der Hals ist locker; er
muss neu befestigt und die Spiellage eingestellt werden. Der Boden hat sich ein
Stück weit von der Zarge gelöst und wird nachgeleimt, ebenso der Steg. Das
Instrument soll wieder in Konzerten mit Programmen aus der Zeit seiner
Entstehung gespielt werden.
Es ist ein einfaches Instrument: die Decke (Fichte) durchgehend weitjährig, Zargen – und Bodenholz sind aus schwach geflammtem Ahorn; sie passen nicht besonders zueinander. Es gibt keine Randeinlage zum Boden, die schlichte Rosette besteht aus Einzelspänen.
Was Freude macht, ist die
konsequente, durchgehend genaue Arbeit, die das Instrument auszeichnet. Die
Kopfplatte, angesetzt mit dem typischen verdeckten Zapfen,
die Genauigkeit der
Ausnehmung für den angeschraubten Hals, eine einfache, immer noch präzise
Mechanik aus der Lanstorfer-Werkstatt –
alles zeigt den hohen Standard einer Gitarrenbautradition in Deutschland zu
einem Zeitpunkt, der auch eine Wende markiert, bei der die Münchner Hauser
Werkstatt eine entscheidende Rolle spielt.
Das Schicksal der Gitarre,
entweder Bodensatz des Musiklebens zu sein, oder als Fettauge obenauf zu
schwimmen, hatte ihr - nach dem Niedergang in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts - am Beginn des 20. einen neuen Aufschwung beschert. Zentrum
dieser Bewegung war der süddeutsche Raum, insbesondere München. Hier kreuzen
sich die Entwicklungen: Einerseits eine traditionelle Linie, weil es der Gitarristischen
Vereinigung gelungen war, viele wertvolle Instrumente aus Wien nach München zu
bringen und „sie den Münchner Gitarristen zu vermitteln, so daß sich bald eine
ganze Reihe der schönsten, gut erhaltenen alten Gitarren in München befand. Den
Instrumentenmachern war hiermit Gelegenheit geboten, ihre Studien an diesen
alten Instrumenten zu machen, was auf den Gitarrebau äußerst fördernd wirkte
und den Münchner Meistern für die Zukunft eine Vormachtstellung gab“. (1)
Es bleibt also festzuhalten, dass der
Gitarrentyp, der den Aufschwung der Gitarre im ersten Viertel des 20.
Jahrhunderts begleitet und von München aus Kreise zieht, die evolutionäre
Weiterentwicklung und Wiederauferstehung des Instruments als „Münchner Modell“
ist, das in Wien, hundert Jahre zuvor, seine Triumphe in der Musikwelt gefeiert
hatte. Auch Richard Jacob „Weissgerber“ in Markneukirchen bewirbt und baut ein
„Münchner Modell“ in „allen Details typisch für die 1920 Jahre“. (2)
Mit dem Wiederaufleben des
Gitarrespiels in der Breite und damit verbundenen solistischen Ansätzen in
Deutschland (3) erwacht auch das Publikumsinteresse neu. Durch Konzertreisen
von M. Llobet und A.Segovia wird das Instrument wieder in den Konzertsälen
etabliert. Aber sie spielen die spanische Gitarre in der Torresform, die nun
Furore macht. Diese Entwicklung wird von allen Werkstätten reflektiert.
Auf dem Boden der in Rede
stehenden Hauser I Gitarre ist eine Nummer eingebrannt: DRP 339867. Erteilte Patente
können mittlerweile im Archiv des Deutschen Patentamts online recherchiert
werden. So war es möglich, sich zu vergewissern, um was es sich bei diesem
Patent handelte: Der Schraubhals konnte es nicht sein, vielleicht aber die
„Patentbeleistung“ wie sie sich bei Franz Jahnel in einer Zeichnung findet. (4)
Tatsächlich wurde H.Hauser
am 9.11.1920 das Patent für ein Beleistungssystem zuerkannt. Interessanterweise
werden in der zweiseitigen Begründung der Patentansprüche ausführlich
akustische Mängel sowohl des Wiener Modells als auch der Spanischen Gitarre
aufgezählt und beschrieben. Dann wird
der Anspruch formuliert: „Gegenstand der Erfindung ist eine Gitarre, deren
Bauart so beschaffen ist, daß sie alle diese Nachteile restlos und einfach
beseitigt.“
Der Aufwand, der mit jeder
Patentanmeldung verbunden ist und der hier von einer eher kleinen Werkstatt
geleistet werden musste, lässt den Schluss zu, dass mit dieser Vorstellung
eines innovativen Schubs, ein in Mitteleuropa weitverbreitetes Gitarrenmodell
mit einer langen Geschichte gegen ein „auf den Markt“ drängendes neues Modell
noch einmal positioniert werden sollte. Die Geschichte ist darüber
hinweggegangen. Aber was hier entschieden hat, ist möglicherweise weniger eine
Sache des Instruments gewesen, als der Strahlkraft von Virtuosen wie Pujol,
Llobet und Segovia zuzuschreiben(5). Sie spielten allerdings auf Instrumenten,
die noch von A.Torres selbst gebaut wurden oder eindeutig auf ihn zurückgingen.
So ist die spanische Gitarre zu unserer Konzertgitarre geworden. Einen
entscheidenen Beitrag dazu leistete H. Hermann Hauser I, der sich von diesen
Instrumenten inspirieren ließ und in den dreißiger Jahren die Gitarre bauen
wird, die A. Segovia bis 1970 spielte.
(1) Fritz Bueck, Die
Gitarre und ihre Meister, S. 130
(2) Christof Hanusch, Weissgerber, S.276/277
(3) Karl Huber, Die
Wiederbelebung des künstlerischen Gitarrespiels um 1900
(4) Franz Jahnel, Die
Gitarre und ihr Bau, S.41
(5) Wolf Moser, Miguel
Llobet der stille Weltmeister, Gak, IV/13